Der Paragraf § 218f. StGB wird dieses Jahr 150 Jahre alt - ein Relikt aus den Zeiten des Deutschen Reiches. Anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März mahnt der AWO Bezirksverband Westliches Westfalen eine Debatte um die Regelung zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland an.
Bereits vor fast 100 Jahren haben sich die Gründerfrauen der Arbeiterwohlfahrt für das Recht, selbstbestimmt zu entscheiden, ob und wie viele Kinder ein Mensch im Laufe des Lebens bekommen möchte, stark gemacht. Dies ist bis heute eine zentrale frauenpolitische Forderung des Verbandes. Die Gründerin Marie Juchacz veröffentlichte bereits 1929 den Artikel „Geburtenfrage – Sexualberatung, eine Aufgabe der Arbeiterwohlfahrt“ und widmete sich den damals hohen Abbruchzahlen. Sie zog daraus den Schluss, dass die Arbeiterwohlfahrt hier präventiv tätig werden und Informationen zum Thema Verhütungsmittel anbieten müsse.
Dem Auftrag, der Beratung in Fragen von Verhütung, Schwangerschaft und Familienplanung zu informieren, gehen AWO Beratungsstellen bis heute nach. Allein in den sechs bezirklich angeschlossenen AWO-Beratungsstellen werden rd. 4.500 Beratungsanfragen bedient. Jährlich werden rd. 1.500 Frauen bei der Entscheidungsfindung für oder gegen ein Kind beraten.
Warum eine Debatte um die Konfliktregelung? Zwar besteht heute die Möglichkeit, dass der Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt, wenn eine Beratungsbescheinigung durch eine anerkannte Beratungsstelle vorgelegt wird.
Doch weiterhin werden Frauen stigmatisiert, wenn diese sich für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden wollen. Die Enttabuisierung des Themas und die Entkriminalisierung der betroffenen Frauen sind bis heute nicht gelungen. Bei einer ungewollten Schwangerschaft zahlen die Frauen oftmals einen höheren Preis, denn vielfach tragen sie die lebenslangen Folgen. Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für einen Abbruch. Psychosoziale Belastungen werden, besonders unter Einfluss der Corona-Pandemie, bei einem Viertel der Frauen als Grund für einen Abbruch angegeben.
„Gleichzeitig erstarkt wieder ein gesellschaftliches Klima, das dazu führt, dass Frauen aus Scham oder Angst vor Stigmatisierung kaum über ihre Schwangerschaftsabbrüche sprechen“, berichtet eine Fachfrau des AWO-Bezirksverbands Westliches Westfalen.
Ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit einer gesellschaftspolitischen Debatte scheint die zunehmend schlechtere Versorgung mit Abbruchärzten zu sein. Nachwuchsmediziner scheuen das Angebot von Schwangerschaftsabbrüchen, denn diese werden immer vehementer strafrechtlich verfolgt. Der § 219a StGB verbietet es Ärztinnen und Ärzten, öffentlich über die eingesetzten Methoden bei einem Abbruch zu informieren. Diese Regelung widerspricht maßgeblich dem Verbraucherschutz und der Aufklärung von Patientinnen. „Nur wenige Medizinerinnen und Mediziner sind trotz der Zuspitzung bereit, dieses medizinische Dienstleitungsangebot anzubieten“, berichtet die Fachfrau weiter.
Die AWO fordert heute wie gestern die Streichung des § 218/219a und setzt sich dafür auf allen Ebenen ein.