Die Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege NRW befürchtet, dass eine sich rapide verschlechternde Ausbildungsplatzsituation vor allem benachteiligte Jugendliche trifft. „Wir müssen jetzt klug und entschlossen handeln, um möglichst alle Jugendlichen in Ausbildung zu bringen, die in der Corona-Krise die Schule beendet haben“, sagt Josef Lüttig, Vorsitzender des Arbeitsausschusses Arbeit/Arbeitslosigkeit der LAG FW.
Lüttig begrüßte ausdrücklich den 500-Millionen-Rettungsschirm für Lehrstellen, den die Bundesregierung für die Betriebe beschlossen hat. Zusätzlich schlägt die Freie Wohlfahrtspflege NRW aber einen Stufenplan für eine trägergestützte Ausbildung vor allem für sogenannte marktbenachteiligte Jugendliche vor. Das seien oft Jugendliche ohne Abschluss, mit Hauptschulabschluss oder Jugendliche mit Migrationshintergrund und fehlenden Sprachkenntnissen. Diese Jugendlichen würden bei betrieblichen Ausbildungsverfahren schneller abgewiesen, so Lüttig.
Speziell für diese Zielgruppe müsse daher in der aktuellen Situation ein außerbetriebliches Ausbildungsprogramm aufgelegt werden. „Vor 14 Jahren in der Ausbildungskrise 2006 hatte NRW mit einem ‚Sonderprogramm Ausbildung‘ großen Erfolg, das könnte Vorbild in der aktuellen Corona-Situation sein“, erklärt Lüttig. Die Freie Wohlfahrtspflege schlage ein Konzept mit ausgefeilten Details zugeschnitten auf marktbenachteiligte Jugendliche vor. Ansonsten könne das notwendige Ausbildungsplatzvolumen 2020 und 2021 sicher nicht erreicht werden.
„Wir sehen jetzt schon einen Rückgang der angebotenen Ausbildungsplätze um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, warnt Lüttig. Gleichzeitig registriere man deutlich weniger Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz. Das dürfe man jedoch nicht als Demografie-Gewinn werten. Es sei im Gegenteil ein krachendes Alarmsignal, dass sich viele Jugendliche nach der Schule wegen der Corona-Krise gar nicht erst bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet hätten. „Die tauchen regelrecht ab und das muss uns große Sorgen machen“, sagt Lüttig, der ihre Zahl NRW-weit auf zehntausend schätzt.
Es sei deswegen auch richtig, dass sich die Partner beim Ausbildungskonsens NRW auf verstärkte Anstrengungen zur passgenauen Vermittlung von Jugendlichen auf Lehrstellen geeinigt hätten. Ein verbessertes „Matching“ sei notwendig, weil im Lockdown der wichtige Berufsorientierungsprozess vieler Jugendlicher abrupt abgebrochen wurde.
Das neue Ausbildungsjahr beginnt nach den Sommerferien. Wegen der unsicheren wirtschaftlichen Lage mit einer hohen Zahl an Betrieben in Kurzarbeit und weiterhin drohenden Insolvenzen droht nach Auffassung der LAG Freie Wohlfahrtspflege eine Ausbildungsplatzmisere. Es sei notwendig, allen Jugendlichen dieses Ausbildungsjahrgangs eine klare Perspektive zu bieten.
Hinweis: Die ausführliche Stellungnahme der LAG FW zum Thema unter https://www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de/positionen/positionen
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.